Aftershow in Sao Paulo

Susanne, 14. September 2019

 

 

Nach der Vorstellung machten wir uns auf, in einen Club der Stadt. Der ‚heißeste Scheiß‘ - eine sehr hippe Location, die ich aus Erschöpfung gegen Mitternacht verließ - die Anderen blieben bis zwei Uhr. Die nette Professorin und Rosa-Luxemburg-Koryphäe Isabel  begleitete mich im Taxi durchs nächtliche Sao Paulo bis ins Hotel. Es kam mir vor, als wäre ich in einem Pedro Almodovar Film. Ich sah wunderschöne Transvestiten, Prostituierte, Bars, die erschreckend vielen Obdachlosen, ein buntes Nachtleben. Isabel versicherte mir, das Zentrum wäre nicht gefährlich, aber man ‚lebe‘ nicht dort. Es gäbe andere Berzirke, in denen vor allem Crack-Süchtige eine Gefahr wären und dort solle man sich möglichst nicht aufhalten. Gleichzeitig schwärmte sie von Sao Paulo. Ich bin fasziniert von diesen Gegensätzen - ein Moloch an Hochhäusern kilometerweit, und dann dazwischen die Favelas, winzige ineinander geschachtelte Verschläge, Wellblech, viele aus Stein, bunt, heruntergekommen, provisorisch, unfertig, viele unfassbar ärmlich. Etwas daran macht mich traurig in dieser Stadt - so viele Menschen leben hier miteinander, übereinander. Zwanzig Millionen - alle versuchen zurecht zu kommen, alle leben irgendwie. Man muss wohl länger hier sein um zu verstehen, wie dieser riesige Organismus tickt. Faszinierend allemal. Jetzt steigen wir gleich in den verspäteten Flieger nach Porto Alegre..da soll uns wieder etwas ganz anderes erwarten.

 



Opening Night

Susanne, 14. September 2019

Was hatten wir erwartet? Auf jeden Fall nicht annährend das, was geschah, als am Ende des Stückes das Licht ausging...Das Publikum sprang auf und jubelte. Es schien eher eine Demonstration von Solidarität und Liebe als ein Beifall für einen Theaterabend zu sein. Wir Darsteller waren überwältigt, überrumpelt. Schon vor der Vorstellung sahen wir die Schlange der Menschen, die gekommen waren um uns zu sehen. Der Theatersaal war übervoll, und viele mussten abgewiesen werden. Schon dies eine Überraschung. Während der Vorstellung hörten wir unseren Worten noch einmal ganz neu zu - sie waren hoch aktuell aufgeladen, und wir konnten spüren, wie das Publikum dran war, wie das Thema, die Botschaft sie erreichte. Wir hörten hinterher, wie gut das Stück im Moment in dieses Land passt, dass das Stück den Menschen aus der Seele und dem Herzen spricht, wie es Mut macht im Angesicht der jetzigen Regierung. Unser brasilianisches Team, das uns jetzt auf unserer kleinen Tournee begleiten wird, versicherte uns, sie wären geehrt und glücklich, mit uns zu reisen und zu arbeiten.


Übertitel auf der Dachterrasse

Barbara, 14. September 2019

 

In Sao Paulo haben wir etwas länger Zeit als an den anderen Gastspielorten, da es eine "Generalprobe" mit den Übertiteln gibt. Ich werde die Übertitel fahren. Am ersten Tag in Sao Paulo ist frei, bis auf eine Theaterbesichtigung um 15 Uhr. An unserem zweiten Morgen setze ich mich, während die anderen aufbauen, an den Computer, um die portugiesische Übersetzung unseres Textes nochmal durchzugehen. Sehr angenehm ist es auf der Dachterrasse - bis der Akku zu Ende geht. Am Nachmittag lerne ich Chris, die Übersetzerin, und Célio, den Übertitler, kennen. Er erklärt mir das Übertitelungsprogramm und in der Probe gehen wir Stück für Stück mit reduziertem Team durch. Es gibt kurzzeitige Krankheitsfälle, weshalb wir nicht in voller Besetzung proben können. Am nächsten Tag, vor der Generalprobe bin ich richtig aufgeregt. Wir haben Text gekürzt und angepasst, ich übe mit dem Video. Die Generalprobe hat ziemlich chaotische Übertitel, aber statt Museumsbesuch und Shopping setze ich mich nochmal mit Celio an die Übertitel und bei unserer Brasilienpremiere klappt es wunderbar.

 

Tourmodus

Henrike, 10. September 2019

Seit gestern sind wir im Tourmodus. Mit dem Van zum Theater, Ausladen, Aufbauen, Leuchten, Schauspieler dazu, Probieren, Übertitelung einrichten, mit dem Van zurück zum Hotel, essen, schlafen und morgen von vorne:

Es ist schon ein besonderes Gefühl, nicht als Tourist sondern als Theaterschaffende in São Paulo zu sein. Das Team, das uns von brasilianischer Seite begleitet ist sehr herzlich, rührig und eine riesen Hilfe. Wir haben heute Vormittag in sehr kurzer Zeit die Bühne des Theaters eingerichtet und heute Nachmittag in einer technischen Probe die portugiesischen Übertitel auf das Spieltempo und die kleineren Differenzen zwischen Textbuch und tatsächlichem Text auf der Bühne angepasst. Offensichtlich ist es so, dass es als Gegenbewegung zur politischen Situation durch Bolsonaro in São Paulo eine große Gemeinschaft von Rosa Luxemburg Fans gibt. Wir dürfen also auf brasilianisches Publikum hoffen!



Endlich komplett

Henrike, 8. September 2019

São Paulo. Eine 20-Millionen-Stadt. Die größte Stadt Südamerikas. Und wir sind hier.

Wir sind vor ein paar Stunden im Hotel in São Paulo angekommen und hier endgültig alle zusammengestoßen. Barbara war in den letzten Tagen in Porto Alegre und Annegret und Arne hatten noch Verpflichtungen, sodass sie erst gestern Abend in Berlin abheben konnten. Jetzt sind wir aber komplett und in dieser Konstellation so was von bereit für die Tour!!

Morgen starten wir in den Arbeitsmodus und bis dahin saugen wir erste Eindrücke von São Paulo auf!

Blick über Sao Paulo von der Dachterrasse unseres Hotels
Blick über Sao Paulo von der Dachterrasse unseres Hotels


Diskurse

Barbara, 8. September 2019

Barbara beim Roundtable in Porto Alegre
Barbara beim Roundtable in Porto Alegre

Schon eine Woche vor der Tournee bin ich nach Brasilien abgereist und in Sao Paulo gleich nach Porto Alegre umgestiegen. Das erste Mal in Porto Alegre war ich 1996 und habe damals das Festival besucht, auf dem wir jetzt spielen. Einer meiner besten Freunde wohnt in Porto Alegre: Jessé Oliveira, mit dem mich eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Und wir spielen sogar in seinem Theater. Er leitet das Centro Cultural Mario Quintana. Am Montag habe ich einen Vortrag beim Runden Tisch der "Dramaturgias Femininas" gehalten, einer Veranstaltung der Sesc, einer der größten Kulturförderer Brasiliens. Es ging um Theaterautorinnen und deren Situation heute. Es stellte sich heraus, dass die Prozentzahlen in Brasilien und Deutschland fast gleich sind: nur ein Drittel der Stücke, die es auf die Bühne schaffen, sind von Autorinnen. Am folgenden Abend war ich bei der gleichen Reihe im Auditorium, diesmal zum Thema Schwarze Autor*innen. Jessé Oliveira und Eugenio Lima besprachen mit Viviane Juguero das neu erschienene Buch, in dem ausschließlich Stücke afrobrasilianischer Autor*innen gesammelt sind. Nun reise ich, ausgestattet mit neuer brasilianischer Theaterliteratur, nach Sao Paulo. Die letzten Absprachen mit Dora Leao, der brasilianischen Produzentin sind getroffen und am Montag findet eine erste Besichtigung des Theaters im Centro Cultural Olido statt.


Die Nachhut

Annegret & Arne, 8. September 2019

Einige Tage später haben nun auch wir unsere große Reise angetreten - ohne größere Zwischenfälle und sogar mit ein paar Stunden Schlaf war der größte Aufreger, dass unser Fahrer, der uns in Sao Paulo vom Flughafen abholen sollte an einem ganz anderen Terminal wartete. Nachdem wir uns gefunden hatten, folgte eine lange Fahrt durch eine riesige gespenstische Stadt im Morgengrauen. Sao Paulo.

Das Hotel hat uns herzlich begrüßt und wir begrüßen nun unsererseits den jungen sonnigen Tag auf der Dachterrasse. Vögel zwitschern, entferntes Verkehrsrauschen dringt in den 15. Stock und rundherum scheint die Stadt kein Ende zu nehmen.

Ready for Take-off am Berliner Flughafen
Ready for Take-off am Berliner Flughafen